Erklärung

Die nachfolgenden Artikel zur Kaufberatung des Renault 16 ist ein Auszug aus dem Magazin Motor Klassik in der Ausgabe 1 / 1993 aus dem Verlag Motor Presse Stuttgart GmbH & Co. KG (Seiten 120-125)

Trendsetter

Eine Kaufberatung von Bernd Woytal (Text und Fotos), ergänzt durch Archivfotos.

So rigoros familienfreundlich wie der Renault 16 war 1965 kaum ein Auto. Und heute gehört der unkonventionelle Franzose für Leute mit kleinem Geldbeutel auf der Suche nach einem Alltagsfahrzeug mit klassischer Note zur ersten Wahl.

Ein Franzose namens Frank Valverde stellte sich im Jahre 1972 für eine Experiment zur Verfügung: Es ging darum, die Wirksamkeit einer Art Aufputschmittel zu beweisen, indem er 100 Stunden Auto fahren sollte, ohne zu schlafen. Als Fahrzeug wählte man einen Renault 16 TS aus. Ein besseres Kompliment für die Reisetauglichkeit eines Autos gibt es wohl kaum – und das Experiment gelang. Aber nicht Frank Valverde wußte die Vorzüge des komfortabel gefederten R 16 zu schätzen. Mehr und mehr rückt der familientaugliche Wagen, der den variablen Gepäckraum und die große Heckklappe hoffähig machte, in den Mittelpunkt der Klassiker-Szene. Und derzeit gibt es ihn noch zu vergleichsweise niedrigen Preisen. Doch der aktuelle Bestand an Renault 16-Modellen schwindet mit jedem Tag. Waren vor etwa fünf Jahren noch 15 000 Wagen dieses Typs beim Kraftfahrt-Bundesamt in Flensburg gemeldet, so sind es derzeit nur noch knapp 1500. Der Rost setzt dem Franzosen arg zu. Eine Restaurierung dieser Fahrzeuge lohnt sich unter ökonomischen Gesichtspunkten nicht mehr (siehe „die Preissituation“ auf Seite 123), und so enden die 16er auf dem Schrott.

In Frankreich gelaufene Renault 16-Modelle besitzen meist mehr Beulen als Roststellen.

Günstige Voraussetzungen für den Kauf dieses praktischen Fahrzeugs sind ein wenig Schrauber-Kenntnisse (oder ein günstig arbeitender Mechaniker in der Bekanntschaft) und das Wissen um eine preiswerte Ersatzteilquelle. So gestaltet sich das Leben mit einem R 16 sogar einigermaßen wirtschaftlich, wenn man zusätzlich ins Kalkül zieht, daß günstige Verbrauchswerte von acht bis neun Litern auf 100 Kilometern möglich sind. Doch kommen wir zu den Punkten am Fahrzeug, die  vor dem Kauf gecheckt werden sollten. Zunächst gilt es,

 

sich davon zu überzeugen, welchen Erhaltungszustand das Blech des ins Auge gefaßten Kaufobjektes aufweist. Im vorderen Bereich verdienen daher nicht nur die den Motor flankierenden Längsholme die Aufmerksamkeit des Interessenten, sondern der gesamte Spritzwasserbereich der Vorderräder.
Unter dem vorderen Kotflügel des Renault 16 gibt es nämlich kein Radhaus, das aufgewirbeltes Wasser oder Schmutz auffängt. So nistet sich der feuchte Dreck in allen Ritzen ein, und bald wuchert es am Kotflügel um die Scheinwerfer herum oder am Stahlblech darunter. Selbst wenn der Kotflügel noch in Ordnung scheint, kann er manch‘ unangenehme Überraschung verbergen. Es empfiehlt sich also, diesen bereich (notfalls Rad demontieren) mit einer Taschenlampe gründlich zu inspizieren. Wie es um die A-Säule steht, ist nicht immer einfach zu erkennen. Doch R 16-Spezialist Regin Reuschel rät, sich die seitlichen Verkleidungen im Fußraum anzusehen. Wenn diese wellig sind, weist dies auf Feuchtigkeit hin, „und manchmal kann es passieren, daß man diese Verkleidung wegnimmt und gar kein Blech mehr dahinter vorfindet“, berichtet er auf seinem umfangreichen Erfahrungsschatz.
Unter dem Windlaufblech, das ebenfalls geprüft werden sollte, befindet sich der Lüftungskasten. Das sich hier ansammelnde Wasser wird in der Regel über Ablaufschläuche zu Boden geleitet. Schmutz setzt diese mit der Zeit zu, und das Wasser sucht sich bei Schräglage des Fahrzeugs in der Kurve seinen Weg über die Lüfterdüsen auf die Beine der vorderen Passagiere. Diese rosten zwar nicht, aber das Bodenblech wo das Wasser schließlich landet. Man sollte daher den Fußraum nach Feuchtigkeit absuchen.Roststellen im unteren Teil der Türen und an deren Innenkanten sind ebenso leicht zu entdecken wie die maroden Stellen der Schwellen. Aber der durchlöcherte Längsträger (sieht Foto auf Seite 122) hinter der Außenwelle entzieht sich neugierigen Blicken – nicht jedoch

dem Angriff von Wasser, und Schmutz, der durch seitliche Öffnungen im Bereich der hinteren Schwinge eindringen kann. 
Von Profi-Werkstätten durchgeführte Reparaturen in diesem Bereich, besonders wenn ein Schweißen ebenfalls stark korrosionsgefährdeten hinteren Schwingenaufnahme hinzukommt, könnte teurer kommen als der Zeitwert eines R 16. Hier ist also Vorsicht geboten.
Zu den weiteren Bereichen die von Rost heimgesucht werden, zählen die Trägerbleche der Schloßfallen für die hinteren Türen. Nach Öffnen der hinteren Pforten liegen diese Schwachstellen
vor einem. Das zur Reparatur erhältliche Einschweißblech zählt derzeit zu den Raritäten auf dem Ersatzteilmarkt. Der nächste Check betrifft das hintere Seitenteil. Kleine Rostpickel neben dem hinteren kleinen Dreiecksfenster sollten mißtrauisch machen. Denn ähnlich wie im vorderen Bereich fängt auch hinten kein Radhaus den von den Rädern aufgewirbelten Schmutzt auf, weshalb das Wasser bis hinauf in die C-Säule des Daches spritzen kann. Besondern bei als „sehr gut“ angepriesenen Exemplaren darf man sich daher nicht scheuen, dass Rad zu demontieren und mit der Taschenlampe eine genaue Inspektion vorzunehmen. Als echte 

Verbesserung bezeichnet Regin Reuschel daher die Maßnahme mancher Bastler, vorne und hinten selbstgeschneiderte Innenkotflügel aus Kunststoff zu montieren, die Wasser und Schmutz abfangen.
Besonders stark verrostet präsentieren sich solche Modelle, die mit der in den 70er Jahren als modern gepriesenen Hohlraum-Versiegelung mit PU-Schaum versehe sind. Und eine weitere Erkenntnis, die Regin Reuschel gewonnen hat, lautet: „Autos aus Frankreich weisen in der Regel weniger Roststellen auf als vergleichbare in Deutschland gelaufene  Exemplare.“ Die Franzosen gehen im Winter wohl sparsamer mit dem Streusalz um, aber nachlässiger mit ihren Autos. Denn die Freude über weniger Roststellen wird durch die größere Zahl an Beulen und Dellen der französischen R 16 gedämpft.
Wie ein Märchen hört es sich an, wenn Renault 16-Fahrer über die Laufleistung der Motoren berichten. Aber wenn verschiedene Leute von ähnlich großen Zahlen sprechen, muß wohl etwas dran sein. So halten die meisten Motoren angeblich 200 000 Kilometer durch, aber nicht selten wird gar die Zahl 300 000 überschritten. Ift liegt daher der Fall vor, daß die Karosserie von Korrosion zerfressen ist, aber der Motor noch die Fähigkeitbesitzt, den mürben Aufbau über viele Kilometer zu bewegen – gäbe es den TÜV nicht.

Das Leichtmetall-Triebwerk ist mit nassen Laufbuchsen ausgestattet, was sich als günstig bei der Motor-Überholung erweist. Doch, wie gesagt, die Motoren halten lange, und falls doch ein größerer Schaden auftritt, greift man zur Zeit noch lieber zu einem günstigen Gebraucht-Motor, als in Revisions-Arbeiten zu investieren.

Unangenehm machen sich lediglich die Undichtigkeiten an Motor und Getriebe bemerkbar, wie beispielsweise am Nockenwellengehäuse, an der Ventildeckeldichtung oder an den Flanschen der Antriebswelle. Aber auch die Zylinderkopfdichtung erwischt es öfter mal. Grund dafür ist meistens eine Überhitzung infolge eines defekten Thermogebers, oder (in Einzelfällen) wenn der Wagen von seinem Piloten so richtig rangenommen wird. Etwas mehr gefährdet sind in dieser Hinsicht leistungsstarke Modelle, „weil manche dann glauben, das ist also der schnelle R16, und wollen dies dann ausprobieren“, berichtet Regin Reuschel. Übrigens zeugt die Wahl des mit einem Querstromzylinderkopf versehenen TS-Triebwerks für die Modelle Alpine A 110 von dessen sportlichen Eigenschaften.

Den diversen Getrieben wird meistens die mangelnde Pflege der Fahrzeug-Besitzer zum Verhängnis. Es wird einfach vergessen, den Ölstand zu kontrollieren – zumindest Lagerschäden sind dann die Folge. Einzelne R 16-Eigner wissen von gebrochenen Getriebe-Wellen zu berichten, was jedoch eher auf Fertigungsfehler zurückzuführen sein dürfte. Die Automatikgetriebe gelten als wenig störanfällig.

Oft ist die Karosserie total verrostet, bevor das Triebwerk das Ende seiner Lebensdauer erreicht hat.

Defekte Antriebswellen, eine Krankheit vieler Frontantriebler, entlarvt man bei der Probefahrt, indem man einen engen Kreis fährt und auf knackende Geräusche achtet. Zu großes Spiel in der Lenkung deutet auf Verschleiß der Spurstangengelenke hin (prüfen durch Rütteln an Teilen). Und ein leichtes Knarren beim Lenken, das aus dem Motorraum vernehmbar ist, könnte auf einen defekten Kugelkopf an einem der oberen Querlenker hinweisen.

Wer in die R 16- Szene einsteigen möchte, dem die TL-Version mit 65 PS ans Herz gelegt. Regin Reuschel hält diese Variante für besonders anspruchslos und wirtschaftlich. „Selbst bei starken Gefälle auf der Autobahn kann der Motor im vierten Gang nicht überdreht werden. Außerdem ist der TL noch leicht zu bekommen und kostet im guten 3er-Zustand rund 3000 Mark.“

Wer auf besonders gepflegte Exemplare Wert legt, der schaue sich nach Ex-Rentner-Autos um (es gibt sie noch) oder greife zu einer Automatikversion 8auf Wunsch ist eine Umrüstung auf ein mechanisches Getriebe möglich), denn letztere befanden sich meistens in guten Händen und haben in der Regel weniger Kilometer hinter sich gebracht.

Zu den gesuchtesten  (und teuersten) Varianten zählen TX, weil sie serienmäßig mit luxuriöser Ausstattung aufwarten, von einem kräftigen Motor (93 PS) beschleunigt werden und ein Fünfganggetriebe besitzen. Zwar konnte man seinerzeit für den TS fast alle diese Luxus-Accessoires aus der Zubehörliste ordern (bis auf den fünften Gang), aber viele stören sich heute an der fehlenden optischen Eigenständigkeit dieses Modells. Doch ganz gleich, für welchen Renault 16 Sie sich nun entscheiden. Sie werden bald seine Vorzüge zu schätzen wissen. Auch dann, wenn sie keine 100 Stunden am Stück hinter seinem Steuer verbringen.